Unternehmen tragen in unserer Gesellschaft schnell negative Konnotationen mit sich: Ausbeuterisch, nicht transparent und profitorientiert. Attribute wie sozial und altruistisch fallen im Kontext wirtschaftlicher Leistung nur sehr selten, obwohl für etablierte Unternehmen eine eigene CSR-Abteilung (Corporate Social Responsibility) zum guten Ton des Wirtschaftens gehört. Die CSR bleibt hierbei jedoch oft bei der Kompensation von ansonsten kruder Rationalität stehen, denn innovative soziale Lösungen finden selten Platz in diesem Paradigma.
Ein neuer Ansatz nachhaltigen Wirtschaftens ist das soziale Unternehmer*innentum. Soziale Unternehmen unterscheiden sind in einem wichtigen Aspekt von der CSR großer Unternehmen: Die Gründungsidee ist eine wirtschaftliche Lösung sozialer, ökologischer und ökonomischer Probleme.
Im Gegensatz zu Nichtregierungsorganisationen oder anderen Initiativen, die nicht profitbasierend arbeiten, möchten soziale Unternehmer*innen wirtschaftlich handeln und gleichzeitig einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Besonders anziehend an dem Konzept ist, dass Ideenfinder*innen für neue Lösungsansätze nicht auf das Gutdüngen von Förder*innen und dem Staat vertrauen müssen. Als soziale Unternehmer*innen tragen sich diese Ideen nämlich im besten Fall von selbst.
Beim Alumni-Treffen des Freiwilligendienstes „kulturweit“ gründete sich spontan eine Arbeitsgruppe, die momentan als „kulturweiterPreneurs“ gemeinsam eine Lernreise zum sozialen Unternehmer*innentum gestalten.
Am 24. Juli starteten wir dann in unsere erste soziale Safari auf der Suche nach sozialen Unternehmen. Der Startschuss fiel bei brennender Hitze im Büro von „Selosoda“, wo uns Christophe empfing.
Selosoda produziert ein Erfrischungsgetränk aus der Kaffeefrucht, ein noch oft ungenutztes Nebenprodukt der Kaffeeproduktion. Reich an Antioxidantien und Vitaminen bietet die Kaffeefrucht darüber hinaus noch eins: Power! „Viel, viel Koffein“ ist zwar nicht offizielles Motto von Selosoda, aber für Studierende als Erfrischungsgetränk definitiv ein Kriterium. Christophe von Selosoda erklärte und die Produktionskette und Zubereitung in Deutschland: Die Kaffeefrucht und deren Schale macht gut ein Drittel der Kaffeeproduktion aus. Während diese in den Anbaugebieten sonst aufgeschüttet werden, gären und später einen strengen Geruch entwickeln, werden die Früchte vor Ort getrocknet und nach Hamburg transportiert. Selosoda lässt dann die Kaffeefrucht wie einen Tee mit Quellwasser aufgießen und verfeinert das Getränk dann mit Bio-Zitrussaft. Auch die Landwirt*innen in den Anbaugebieten profitieren von der Nutzung der Kaffeefrucht, denn diese können mit Selosodas direktem Handelsmodell eine Wertsteigerung der Kaffeepflanze von ca. 50% erzielen. Ungesüßt und erfrischend möchte Selosoda sein und überzeugte die Teilnehmenden unserer Safari mit einer Verkostung vor Ort – bei über 30° hatte Christophe uns schnell überzeugt! Er und die Gründerin waren übrigens schon vorher im Kaffeebusiness und konnten so wichtige Erfahrungen sammeln. Als dann auch noch ein Stipendium und Mentoring vom Social Impact Lab Berlin kamen, konnte die Idee endlich umgesetzt werden. Fair und transparent zu handeln sind im Getränkehandel keine Selbstverständlichkeit. Christophe und das Team von Selosoda zeigen aber, dass wir auch mit Erfrischungsgetränken auf sozialen Wandel anstoßen können, quasi Schluck für Schluck.
Mit gestilltem Durst ging es dann weiter zu Fairmondo, einem Onlinemarktplatz, wo uns Felix empfang. Als Gründer und Vorstandsmitglied teilte er mit uns, wie aus seiner akademischen Beschäftigung mit Korruption die Idee entsprang, ein faires und transparentes Unternehmen aufzubauen. Fairmondo versteht sich als Marktplatz für sinnvolle Produkte. Faire, nachhaltige und qualitative Produkte sowie die Unterstützung kleiner Produzent*innen stehen hier im Vordergrund. Aber auch nach innen will das Unternehmen die gleichen Maßstäbe ansetzen. Fairmondo ist als Genossenschaft, also als gemeinschaftlich organisierter Geschäftsbetrieb, aufgestellt. Sämtliche Transaktionen können online eingesehen werden und schaffen damit eine neue Transparenz für Kunden. Transparenz und Korruptionsbekämpfung liegen Fairmondo besonders am Herzen. Mit jedem Kauf geht ein kleiner Betrag an Organisationen, die sich für eine korruptionsfreie Gesellschaft engagieren. Wir waren besonders beeindruckt, wie das Unternehmen nach außen sowie nach innen versucht, idealistische Ideen umzusetzen und wirtschaftlich zu gestalten.
Unsere dritte Station an dem Abend führte uns in die Prinzessinnengärten, wo wir uns mit Michael von Leihbar in ein Baumhaus abseilten. Das Unternehmen Leihbar findet, dass Gegenstände nicht gekauft werden müssen, sondern vieles, was wir nicht ständig brauchen, auf Leihbasis genutzt werden kann. Ob Beamer, Bohrmaschine oder Raclette-Grill, manche Gegenstände kommen nur alle paar Monate zum Einsatz und verschwinden dann wieder in der Abstellkammer. Diese Abstellkammer wird bei Leihbar für alle zugänglich. Das kleine Unternehmen kooperiert mit Kiosken in Berlin. Wenn eine Bestellung für ein Produkt eintrifft, wird dieses bei einem kooperierenden Kiosk abgegeben. Dort kann dann zum Beispiel der Bohrer abgeholt und auch wieder hingebracht werden. Für die Abwicklung bekommen die Eigentümer*innen der kleinen Läden dann eine Provision. Michael erzählt uns aber auch davon, dass es schwer ist, tauschen zu kommerzialisieren und sich auch die Frage stellt, inwieweit tauschen nicht genau das bleiben soll: Unkommerziell. Das Leihbar aber Teil einer größeren gesellschaftlichen Bewegung ist, die sich kritisch mit Konsum auseinandersetzt, ist dabei kaum zu übersehen. In ganz Berlin gibt es bereits sechs Orte, an denen sich die geliehenen Produkte ausleihen lassen.
Nach den drei Stationen endete unsere Safari dann in einem sudanesischen Bistro. Über Erdnusssoße ließen wir den Tag Revue passieren und planen, wohin es mit kulturweiterPreneurs weitergehen soll.
Wenn Ihr Interesse habt, selbst zu gründen oder mehr über soziales Unternehmer*innentum erfahren wollte, dann mailt uns! Wir freuen uns sehr über Zuwachs unter socialpreneurs@kulturweiter.de.