Simone hat im Juli 2016 für kulturweiter an einem Workcamp im Südwesten Koreas teilgenommen. Ermöglicht wurde das Camp unter dem Motto „Land of Life, Muan Tidal Flats“ von der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK), der koreanischen UNESCO-Kommission (KNCU) und einer der bekanntesten NGOs Koreas, dem ECO-Horizon Institute. Seit vielen Jahren organisiert die KNCU im ganzen Land Workcamps, an denen Freiwillige aus unterschiedlichsten Ländern teilnehmen.
Jedes Jahr im Winter ziehen unzählige Kraniche in das Schutzgebiet der Bucht von Suncheon im Süden Südkoreas, um dort mehrere Monate zu überwintern. Der Kranich ist in Südkorea als Symbol der Beständigkeit von besonderer Bedeutung. Neben den vielen Kranichen kommen daher jährlich über fünf Millionen Besucherinnen und Besucher aus aller Welt in die Region, um die beeindruckende Landschaft des Wattengebiets zu erkunden und Kraniche zu beobachten. In dem diesjährigen Sommer hatte ich die Gelegenheit, im Rahmen eines von der koreanischen UNESCO-Kommission organisierten Workcamps neben vielen anderen Aktivitäten die Suncheon Bay und das Watt Südkoreas kennenzulernen.
Das Wattenmeer in Korea
Bei unserem Besuch der Suncheon Bucht wurden wir von Simon Jung begleitet, einem ehemaligen Englischlehrer, der ehrenamtlich als Touristenführer arbeitet. Simon Jung ist glücklich über den internationalen Status der Suncheon-Bucht als Ramsar-Schutzgebiet. Tatsächlich drohte dem Watt vor einigen Jahren noch die Zerstörung durch ein Großbauprojekt. Simon Jung setzte sich zusammen mit anderen Bürgerinnen, Bürgern und NGOs erfolgreich für den Schutz der Suncheon Bucht ein. Er erzählte mit großer Begeisterung, was die Bürgerbewegung erreicht hat und hofft nun, dass das Wattengebiet im Südwesten Südkoreas bald in die Liste der UNESCO-Weltnaturerbestätten aufgenommen wird. Südkorea plant seit Jahren, das Gebiet für die Liste des UNESCO-Welterbes zu nominieren.
Arbeitsalltag im Workcamp
Insgesamt 13 Tage haben zehn internationale Freiwillige aus Asien und Europa und sieben KoreanerInnen im Dorf Haeje verbracht. Dabei unterstützten wir vor allem die einheimischen Bauern bei ihrer Arbeit, ernteten Zwiebeln und Wassermelonen, bauten ein Straßenschild oder beluden auch einmal einen Laster mit Gülle. Harte Arbeit, 35 Grad im Schatten, Tage mit nationalen Hitzewarnungen, aber jede Menge Spaß. Neben den Tagen der Arbeit haben wir Ausflüge nach Gwanju zu Kia Motors oder in die Hafenstadt Mokpo unternommen, waren am Geburtsort des koreanischen Teemeisters Choui, sind traditionell fischen gegangen oder haben auch mal Karaoke gesungen. Wir veranstalteten selbst ein Angebot für Kinder aus der Gegend, das „Junior Global Citizenship Camp“. Zusammen mit den Kindern lernten wir im Naturschutzzentrum des Muan Wattenmeeres die verschiedenen Herkunftsländer der TeilnehmerInnen des Workcamps kennen: Ich begeisterte mich wie die Kinder für die Gedankenspiele aus der Mongolei, einen traditionellen Tanz aus Zypern und für die Trachten aus Estland und Litauen. Meine Lakritz-Bonbons aus Deutschland lösten hingegen sowohl bei den meisten Kindern als auch bei den Camp-TeilnehmerInnen eher Ekel aus.
Bildung weltweit
Auch sonst waren die Unterschiede unter uns Camp-Teilnehmern zum Teil groß. Besonders beeindruckt hat mich der Austausch zum Thema Jugend und Bildung. Die koreanischen Teilnehmenden berichteten vom endlosen Arbeits- und Schulalltag, dem Leistungsdruck und den hierarchischen Strukturen in Südkorea. Auch das Thema Jugendpartizipation ist in Südkorea kaum etabliert, da Alter in Korea eine viel zentralere Rolle spielt als in den Herkunftsländern der anderen Freiwilligen. Ich habe großen Respekt vor meinen koreanischen Freundinnen und Freunden, vor allem der Disziplin und der Kraft, die sie Tag für Tag aufbringen und eigene Träume dennoch nicht verlieren. „Wir sind immer müde, aber daran sind wir nun mal gewöhnt“, erklären sie mir auf meine Frage, wie sie es jeden Tag aufs Neue schaffen, früh morgens aufzustehen und bis nachts zu lernen. Als Grund für den hohen Leistungsdruck wurde mir wiederholt erzählt, dass sich die Generation der Eltern nach dem Koreakrieg nichts mehr wünschte als eine bessere Zukunft für die Nachkommen. Mehrere Male diskutierten wir auch über die wachsende Kluft zwischen den Generationen in Südkorea und über die Bedeutung von Hierarchien beruhend auf dem Alter. Ich hörte immer wieder, dass sich Südkorea rasch wandelt, die Jugend gerne reist und die Welt kennenlernt. Ich werde auch künftig genau beobachten, wie sich Südkorea in Richtung Jugendbeteiligung wandeln wird.
Danach vom deutschen Bildungssystem und den deutschen Universitäten zu berichten, war eigenartig. „Die Unis sind bis auf etwas Gebühren kostenlos und eigentlich kann man so lange studieren wie man es sich eben leisten kann. (…) Meine Freunde sind teils 28 und schließen ihren Bachelor gerade eher halbherzig ab. (…) “.
Auch wenn ich lernte, dass das deutsche Bildungssystem im Vergleich zum koreanischen der Jugend viel Freiraum bietet, habe ich auch weitere Verbesserungsansätze kennengelernt – vor allem das Bildungssystem Estlands hat mich angesprochen. Gesetzliche Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), eine nicht notenbasierte Untergliederung der Sekundärstufe und dann noch das tolle Angebot der Freizeitschulen am Nachmittag mit Umweltlehrerinnen wie Gedy.
Zurück in Deutschland
Auch nachdem ich wieder in Deutschland bin, beschäftigen mich Fragen von Individualität und Gesellschaft wie nie zuvor. Und ich habe einen großen Drang, gemeinsam mit meinen neuen Freunden etwas Neues anzufangen. Zusammen mit Gedy aus Estland möchte ich ein BNE-Projekt starten, ich will Anastasya in Minsk besuchen und wenn möglich eine Hochzeit in der Mongolei. Außerdem will ich künftig mit Douang aus Laos über Abfall, Biogas und Abwasser in Laos nachdenken. Ich bin sehr dankbar, dass ich die einmalige Chance erhalten habe, nach Südkorea reisen zu dürfen.
Simone Fischer